History • Teil 4 • Samain III & IV • Thunderbolt Giants • März 1984
© Craigg, Miñoza, Wiethoff • Auszüge aus "Vicious Circles", Jeffrey Elias Craigg
► = interner Link / → = externer Link / ♪ = Audio / ♫ = Video / ►xxx‼ = interner Link folgt
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“Wie Eric Dolphy mal sagte: ‘Wenn die Musik mal gespielt ist, ist sie in der Luft und für immer verloren.’ Und das ist wahr. Aber wenn Du sie aufnimmst, dann kommt sie manchmal zurück, um dich heimzusuchen.”
(John Abercrombie)
►Thunderbolt Giants ◙ enthält drei frühe Versionen der Songs ►»Thor« ♪, ►»[Tale Of A] Giant Man« ♪ und ►»The Seal Of Jidda« ♪. In überarbeiteter Form fanden sie im selben Jahr ihren Weg auf das Album ►Vibrations Of Doom ◙. Aufgenommen und gemischt wurde Thunderbolt Giants am 10. und 11. März 1984. Das Leitmotiv des ersten Demos stammt von ►Peter Ancasters englischem Freund Glenn Ryan.
Empfohlen von Musikertreff Chefredakteur Reinhold Pomaska und vorgeschlagen von ►Ralph Veety, entschied sich die Band für ihr Studiodebüt in der →Rockranch Hagen (Vorhalle). Das 8-Spur Tonstudio genoss einen guten Ruf und mit ►Frank Becking als Produzenten und Toningenieur taten Samain einen Glücksgriff.
Frank Becking war ein ausgezeichneter Gitarrist. Nach Mandrake (1975) erwarb er seit Mitte der 70er Jahre mit den Bands →The Ramblers (1976–1979) und →The Stripes (1980–1981) überregionale Popularität. Als Mitinhaber des Tonstudios Rockranch [Anm.: mit Michael Grimm] etablierte er sich zunächst durch Rock- und Neue Deutsche Welle Produktionen, darunter Tira Misu, die Caprifischer (beide 1983) oder →Extrabreit mit ihrem in diesem Jahr veröffentlichten Album »Europa«, ehe er für größere Plattenfirmen wie →Mega Records (Label der →Edel AG), →Ariola, →BMG oder →EMI und schließlich auch →Roadrunner Records tätig wurde1.
Ihrer bescheidenen finanziellen Mittel wegen, blieben Samain zwei Tage ihre drei Songs aufzunehmen und zu mischen. Um Zeit zu sparen, zeichnete Frank Becking die Musik zum größten Teil live auf. Schlagzeug [►Marc Newman] und Bass [►Bernard Eams] sowie eine Rhythmusgitarre [►Fred Bertam] blieben zusammenhängend. Ralph Veetys Leadgitarre lief als Pilot und wurde ebenso wie die Soli und der Gesang [Peter Ancaster] anschließend nacheinander mitgeschnitten.
Nach den Aufnahmen des ersten Studiotages, Samstag, den 10. März, war Peter Ancaster abends auf den A&R Agenten Gordon Biel getroffen. Biel agierte für das Anfang 1984 war Mitbegründer des Unternehmen →SPV2 und sollte die aus →Hannover stammende Formation Hardware im ►Rockpalast Hohenlimburg live in Augenschein nehmen. Indes war der Agent wenig angetan von der Darbietung und zog sich aus dem Konzertsaal in die Kneipe zurück, wo Ancaster eher zufällig mit ihm ins Gespräch kam. So erfuhr der Sänger, dass Biel hauptsächlich für das in →Amsterdam ansässige Unternehmen Roadrunner Records arbeitete, das seinen Vertrieb in Deutschland derzeit über SPV ausbaute. Auf seine Frage, ob Biel gegebenenfalls etwas für seine Band Samain zu unternehmen bereit wäre, bat der Agent ihn um das Zusenden eines Demos.
Thunderbolt Giants traf am Dienstag, den 13. März 1984 bei SPV in Hannover ein. Am 15. März hielt Peter Ancaster Rücksprache mit Gordon Biel. Der A&R Agent bekundete das Material habe ihm derart gut gefallen, dass er es in die →Niederlande zu Roadrunner direkt in die Hände des Gründers und Firmenchefs Cees Wessels weitergeleitet habe3. Von dort bestünde bereits die Anfrage, ob Samain kurzfristig live begutachtet werden könne, da Cees Wessels sich am 16. März in →Deutschland befände, um in →Münster einen weiteren deutschen, für das Label interessanten Act (→Mad Max – Anm. d. Verf.) zu sehen. Peter nannte ihm den Termin des am 17. März 1984 bevorstehenden Festivals mit →Saints' Anger und →Faithful Breath. Einen Tag später erhielt er die Zusage Cees Wessels.
Das Demo, noch unveröffentlicht und ohne Cover, hatte sich bereits bezahlt gemacht. Obwohl es ursprünglich für eben jenen Zweck in Angriff genommen worden war, sollte es zugleich in größeren Stückzahlen unter der derweil wachsenden Anhängerschar der Gruppe für kleines Geld verkauft werden. In Anbetracht der sich nun eröffnenden Möglichkeit vielleicht einen Plattenvertrag zu erhalten, hielten Samain das Release des Bandes jedoch zurück. Erst im Mai gaben sie es in kleinen Stückzahlen und versehen mit dem Artwork des Iserlohner Malers Eduardo heraus.
Eduardo entlieh sein Motiv der →germanischen Mythologie. Es stellt, in Anlehnung an den gleichnamigen Song des Demobandes, →Thor, den Gott des Donners, in seinem von den beiden Ziegenböcken →Tanngnjóstr (aisl. Zähnefletscher oder Zähneknisterer) und Tanngrisnir (aisl. Zähneknirscher) gezogenen Wagen dar. Der mit Wucht geworfene und somit den Vordergrund der Zeichnung bildende →Thorhammer Miöllnir (aisl. Zermalmer) inspirierte die Band bei der Neuaufnahme des Liedes zu einem ungewöhnlichen Ende. In das scheinbare Fade out mischt sich das Geräusch des heransausenden Hammers, der in einem ohrenbetäubenden Krachen in sein (unbekanntes) Ziel einschlägt.
Thunderbolt Giants war, als Erstlingswerk der Gruppe Samain, ein gutes Demo, obwohl sich die Band stets unzufrieden mit seinem Sound gab. Durch die Eile, in der die Songs hatten gemischt werden müssen, klang alles, so Peter Ancaster, »wie im Hall einer Kirche aufgenommen«.
Dennoch, Thunderbolt Giants bescherte Samain neben allgemeinen Zuspruch von Fans und Rockmagazinen vor allem in Frank Becking einen Produzenten, der den Geist der Band einzufangen und ihre Musik umzusetzen verstand.
Fußnoten
1 Nähere biographische Daten zu Frank Becking konnten nicht ermittelt werden. In seiner Produktionsgeschichte (Stand 2009) finden sich u.a. Extrabreit »Europa« (Metronome, 1983), Dan »Come When You Wanna« (Mega Records, 1996), Various Lords Of The Boards (Ariola, 1997), Stefan Kleinkrieg »Nur für Jungs« (1984) oder Hannes Orange »Komm Mit« (BMG, 2002).
2 SPV GmbH (Abk. für Schallplatten, Produktion und Vertrieb) in Hannover ansässige deutsche Plattenfirma, 1984 von Manfred Schütz (geb. am 5. Juli 1950 in Bamberg) gegründet. Manfred Schütz war gelernter Büro- und Außenhandelskaufmann und arbeitete als Fahrer bei einer Spedition. 1975 eröffnete er zusammen mit seinem Freund Wolfgang Küster den Schallplattenladen Boots sowie ein Jahr später in Hannover den Laden Musicland. Anfang der 80 Jahre stellte er sein Unternehmen auf Produktion und Vertrieb von Schallplatten um. SPV ist heute (Stand 2007) Inhaberin der Plattenlabel SPV Recordings, Snake, Steamhammer, Synthetic Symphony, Oblivion und Audiopharm und damit in Deutschland führend im Bereich Heavy Metal.
3 Roadrunner Records war Ende 1979 von Cees Wessels (geb. 1941) in Amsterdam ins Leben gerufen worden. Zuvor hatte er für verschiedene Plattenfirmen und zuletzt als Produktionschef der Phonogram gearbeitet. Wessels kaufte ab 1980 Lizenzen zum Vertrieb von Veröffentlichungen US-amerikanischer Bands in den Beneluxländern. Den Anfang machte ein Best-of-Album des Songwriters →Jim Croce, es folgten bald erste Platten aus den von Wessels selbst bevorzugten musikalischen Sektoren wie zum Beispiel →Punk mit →The Exploited. In den folgenden Monaten baute Wessels beständig sein Import-Vertriebsnetz aus, bis er als Ansprechpartner Nummer Eins für nichteuropäische Labels wie die in den 1980ern führenden →Metal Blade oder →"Attic" galt. Unter anderem wurden so in Europa Bands wie →Twisted Sister oder →Anthrax von Roadrunner Records repräsentiert. Da der meiste finanzielle Gewinn jedoch direkt bei den →Plattenfirmen in den →USA blieb, entschloss sich Wessels dazu, selbst Musikgruppen unter Vertrag zu nehmen. Den Anfang machte 1982 die dänische →Heavy Metal Band →Merycul Fate. Es folgte u.a. Mad Max, Samain, →Metallica (durch kurzzeitige Kooperation mit →Megaforce), →Venom, →Voivod usw. Durch die Übernahme von 73,5 % aller Firmenanteile durch die →Warner Music Group gegen Ende des Jahres 2006 galt Roadrunner Records fortan als so genanntes →Majorlabel. Der Hauptsitz der Firma ist heute in den USA.
Empfohlen von Musikertreff Chefredakteur Reinhold Pomaska und vorgeschlagen von ►Ralph Veety, entschied sich die Band für ihr Studiodebüt in der →Rockranch Hagen (Vorhalle). Das 8-Spur Tonstudio genoss einen guten Ruf und mit ►Frank Becking als Produzenten und Toningenieur taten Samain einen Glücksgriff.
Frank Becking war ein ausgezeichneter Gitarrist. Nach Mandrake (1975) erwarb er seit Mitte der 70er Jahre mit den Bands →The Ramblers (1976–1979) und →The Stripes (1980–1981) überregionale Popularität. Als Mitinhaber des Tonstudios Rockranch [Anm.: mit Michael Grimm] etablierte er sich zunächst durch Rock- und Neue Deutsche Welle Produktionen, darunter Tira Misu, die Caprifischer (beide 1983) oder →Extrabreit mit ihrem in diesem Jahr veröffentlichten Album »Europa«, ehe er für größere Plattenfirmen wie →Mega Records (Label der →Edel AG), →Ariola, →BMG oder →EMI und schließlich auch →Roadrunner Records tätig wurde1.
Ihrer bescheidenen finanziellen Mittel wegen, blieben Samain zwei Tage ihre drei Songs aufzunehmen und zu mischen. Um Zeit zu sparen, zeichnete Frank Becking die Musik zum größten Teil live auf. Schlagzeug [►Marc Newman] und Bass [►Bernard Eams] sowie eine Rhythmusgitarre [►Fred Bertam] blieben zusammenhängend. Ralph Veetys Leadgitarre lief als Pilot und wurde ebenso wie die Soli und der Gesang [Peter Ancaster] anschließend nacheinander mitgeschnitten.
Nach den Aufnahmen des ersten Studiotages, Samstag, den 10. März, war Peter Ancaster abends auf den A&R Agenten Gordon Biel getroffen. Biel agierte für das Anfang 1984 war Mitbegründer des Unternehmen →SPV2 und sollte die aus →Hannover stammende Formation Hardware im ►Rockpalast Hohenlimburg live in Augenschein nehmen. Indes war der Agent wenig angetan von der Darbietung und zog sich aus dem Konzertsaal in die Kneipe zurück, wo Ancaster eher zufällig mit ihm ins Gespräch kam. So erfuhr der Sänger, dass Biel hauptsächlich für das in →Amsterdam ansässige Unternehmen Roadrunner Records arbeitete, das seinen Vertrieb in Deutschland derzeit über SPV ausbaute. Auf seine Frage, ob Biel gegebenenfalls etwas für seine Band Samain zu unternehmen bereit wäre, bat der Agent ihn um das Zusenden eines Demos.
Thunderbolt Giants traf am Dienstag, den 13. März 1984 bei SPV in Hannover ein. Am 15. März hielt Peter Ancaster Rücksprache mit Gordon Biel. Der A&R Agent bekundete das Material habe ihm derart gut gefallen, dass er es in die →Niederlande zu Roadrunner direkt in die Hände des Gründers und Firmenchefs Cees Wessels weitergeleitet habe3. Von dort bestünde bereits die Anfrage, ob Samain kurzfristig live begutachtet werden könne, da Cees Wessels sich am 16. März in →Deutschland befände, um in →Münster einen weiteren deutschen, für das Label interessanten Act (→Mad Max – Anm. d. Verf.) zu sehen. Peter nannte ihm den Termin des am 17. März 1984 bevorstehenden Festivals mit →Saints' Anger und →Faithful Breath. Einen Tag später erhielt er die Zusage Cees Wessels.
Das Demo, noch unveröffentlicht und ohne Cover, hatte sich bereits bezahlt gemacht. Obwohl es ursprünglich für eben jenen Zweck in Angriff genommen worden war, sollte es zugleich in größeren Stückzahlen unter der derweil wachsenden Anhängerschar der Gruppe für kleines Geld verkauft werden. In Anbetracht der sich nun eröffnenden Möglichkeit vielleicht einen Plattenvertrag zu erhalten, hielten Samain das Release des Bandes jedoch zurück. Erst im Mai gaben sie es in kleinen Stückzahlen und versehen mit dem Artwork des Iserlohner Malers Eduardo heraus.
Eduardo entlieh sein Motiv der →germanischen Mythologie. Es stellt, in Anlehnung an den gleichnamigen Song des Demobandes, →Thor, den Gott des Donners, in seinem von den beiden Ziegenböcken →Tanngnjóstr (aisl. Zähnefletscher oder Zähneknisterer) und Tanngrisnir (aisl. Zähneknirscher) gezogenen Wagen dar. Der mit Wucht geworfene und somit den Vordergrund der Zeichnung bildende →Thorhammer Miöllnir (aisl. Zermalmer) inspirierte die Band bei der Neuaufnahme des Liedes zu einem ungewöhnlichen Ende. In das scheinbare Fade out mischt sich das Geräusch des heransausenden Hammers, der in einem ohrenbetäubenden Krachen in sein (unbekanntes) Ziel einschlägt.
Thunderbolt Giants war, als Erstlingswerk der Gruppe Samain, ein gutes Demo, obwohl sich die Band stets unzufrieden mit seinem Sound gab. Durch die Eile, in der die Songs hatten gemischt werden müssen, klang alles, so Peter Ancaster, »wie im Hall einer Kirche aufgenommen«.
Dennoch, Thunderbolt Giants bescherte Samain neben allgemeinen Zuspruch von Fans und Rockmagazinen vor allem in Frank Becking einen Produzenten, der den Geist der Band einzufangen und ihre Musik umzusetzen verstand.
Fußnoten
1 Nähere biographische Daten zu Frank Becking konnten nicht ermittelt werden. In seiner Produktionsgeschichte (Stand 2009) finden sich u.a. Extrabreit »Europa« (Metronome, 1983), Dan »Come When You Wanna« (Mega Records, 1996), Various Lords Of The Boards (Ariola, 1997), Stefan Kleinkrieg »Nur für Jungs« (1984) oder Hannes Orange »Komm Mit« (BMG, 2002).
2 SPV GmbH (Abk. für Schallplatten, Produktion und Vertrieb) in Hannover ansässige deutsche Plattenfirma, 1984 von Manfred Schütz (geb. am 5. Juli 1950 in Bamberg) gegründet. Manfred Schütz war gelernter Büro- und Außenhandelskaufmann und arbeitete als Fahrer bei einer Spedition. 1975 eröffnete er zusammen mit seinem Freund Wolfgang Küster den Schallplattenladen Boots sowie ein Jahr später in Hannover den Laden Musicland. Anfang der 80 Jahre stellte er sein Unternehmen auf Produktion und Vertrieb von Schallplatten um. SPV ist heute (Stand 2007) Inhaberin der Plattenlabel SPV Recordings, Snake, Steamhammer, Synthetic Symphony, Oblivion und Audiopharm und damit in Deutschland führend im Bereich Heavy Metal.
3 Roadrunner Records war Ende 1979 von Cees Wessels (geb. 1941) in Amsterdam ins Leben gerufen worden. Zuvor hatte er für verschiedene Plattenfirmen und zuletzt als Produktionschef der Phonogram gearbeitet. Wessels kaufte ab 1980 Lizenzen zum Vertrieb von Veröffentlichungen US-amerikanischer Bands in den Beneluxländern. Den Anfang machte ein Best-of-Album des Songwriters →Jim Croce, es folgten bald erste Platten aus den von Wessels selbst bevorzugten musikalischen Sektoren wie zum Beispiel →Punk mit →The Exploited. In den folgenden Monaten baute Wessels beständig sein Import-Vertriebsnetz aus, bis er als Ansprechpartner Nummer Eins für nichteuropäische Labels wie die in den 1980ern führenden →Metal Blade oder →"Attic" galt. Unter anderem wurden so in Europa Bands wie →Twisted Sister oder →Anthrax von Roadrunner Records repräsentiert. Da der meiste finanzielle Gewinn jedoch direkt bei den →Plattenfirmen in den →USA blieb, entschloss sich Wessels dazu, selbst Musikgruppen unter Vertrag zu nehmen. Den Anfang machte 1982 die dänische →Heavy Metal Band →Merycul Fate. Es folgte u.a. Mad Max, Samain, →Metallica (durch kurzzeitige Kooperation mit →Megaforce), →Venom, →Voivod usw. Durch die Übernahme von 73,5 % aller Firmenanteile durch die →Warner Music Group gegen Ende des Jahres 2006 galt Roadrunner Records fortan als so genanntes →Majorlabel. Der Hauptsitz der Firma ist heute in den USA.