History • Teil 5 • Samain IV • 17.3.1984 Der Vertrag • März 1984 - April 1984
© Craigg, Miñoza, Wiethoff • Auszüge aus "Vicious Circles", Jeffrey Elias Craigg
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"Ein Mann ist erfolgreich, wenn er morgens aufsteht, abends ins Bett geht un dazwischen macht, was er möchte."
(Bob Dylan)
»Samain klangen nach Samain. Musikalisch hatten wir unsere Nische im →Heavy Metal Genre gefunden«, resümierte ►Ralph Veety in Gesprächen. »Nun galt es unsere Performance auf eigene Füße zu stellen. Wir wollten den Leuten mehr bieten, als lediglich ein sauber vorgetragenes Repertoire mit etwas Bewegung; wir wollten diesen Whow!-Effekt. Und dahingehend befand ich mich auf exakt derselben Linie wie ►Piet [Ancaster]. Der mühselige, vor allen undankbare Weg Land auf Land ab in jedem Jugendzentrum zu spielen, wohin es nie einen A&R Agenten verschlug, auf Bühnen, ohne Möglichkeit eine echte Show abzuziehen, konnte nicht der unsere sein. Selbst ►Emsermann erkannte mittlerweile, dass wir durch den ►Rockpalast eine gänzlich andere Ausgangsbasis vorfanden, als so ziemlich jede andere Band in ihrer Aufbruchsphase. So saßen Ancaster und ich in der Dachkammer der Villa Eichenschild und grübelten, wie wir unsere Darbietung ausgestalten konnten. Unsere Herausforderung war: Es gab zum einen keine wirklichen Vorbilder, →Alice Cooper, →Kiss und →Iron Maiden vielleicht ausgenommen, und zum anderen: Wie konnten wir bestimmte Ideen bei fehlenden finanziellen Mitteln umsetzen. Unterstützung von einer Plattenfirma, wie eben erwähnte Bands, hatten wir ja nicht«.
Nein, Geld besaßen sie nicht. Aber Ehrgeiz und einen starken Willen gepaart mit einer enormen Schöpferkraft, Fantasie und jeder Menge Geistesblitzen. Peter gedachte seiner einstigen Roadcrew-Kollegen bei der →Pee Wee Bluesgang, dem Toningenieur Helmut Leser und dem Lichtdesigner Ralf Sauer.
»Als wir für die März-Veranstaltung eine P.A. buchen mussten, kam für mich ausschließlich Helmut in Betracht. Er war ein Soundfetischist im Sinne des Wortes und ich kannte derzeit keinen besseren«, erweiterte Peter die Ausführungen des Gitarristen, »und was das Licht betraf, wusste ich daß Ralf Sauer während der Pee Wee Tour mit einem kleinen, aber feinen Equipment unterwegs gewesen war und stets davon sprach daraus eines Tages etwas richtig Großes machen zu wollen. Also rief ich die beiden an und zu meiner Freude waren sie nicht nur frei, sondern erklärten sich sogar bereit, ihre Anlagen fünf Tage vor der Veranstaltung aufzubauen, so dass wir unsere Performance klang- und lichttechnisch minutiös einstudieren konnten«.
Doch das war nicht alles. Der experimentierfreudige Ralf Sauer nämlich hatte in Samain seine idealen Probanden gefunden. Gemeinsam mit Ancaster und Veety erarbeitete er für jeden einzelnen Song ein eigenes Licht und als er von ►»Thor« ♫ und dem von Bernd Grüll eigens dafür gebauten Hammer hörte, gingen sprichwörtlich die Pferde mit ihm durch. Er hatte neue Zündmechanismen für Magnesiumblitze und -bomben entwickelt und »der Hammer« bot ein ideales Testfeld »den Effekt noch ein wenig spektakulärer zu gestalten«, wie er sich ausdrückte.
Ein Debüt der Märzveranstaltung bildete auch die Samain Crew, bestehend aus Uli Hülle für Organisation, Planung und Bühne, dem Autoren, Jeffrey Elias Craigg, für Transport und Equipment, Peter Fahl für Materialbeschaffung, Michael Shaw, für das Schlagzeug, Carsten Schröder, für Bühnenbau und schließlich Peter Fischer für Gitarren und Bass. Hülle, Craigg, Shaw und Schröder blieben der Gruppe nach dem Festival als feste Roadies erhalten. Fahl gesellte sich bis Juni sporadisch dazu. Peter Fischer schloss sich der Mannschaft um Uli Hülle nicht an, da er andere - und wie die Zukunft zeigen würde - sehr erfolgreiche Pläne hatte1. Er kehrte jedoch als Gitarrenroadie bei einer anderen Großveranstaltung noch einmal zu Samain zurück.
Am 17. März 1984 traten Samain so nicht nur mit einer für die Größenordnung des Rockpalastes gigantischen P.A. und Lichtanlage auf, sondern vor allem mit einer detailliert geplanten Show. Da es ihnen am nötigen Kleingeld für eine ihren damals mythologischen Texten entsprechenden Kulisse gemangelt hatte, liehen sie sich eine Backline aus →Marshall-Verstärkern und -boxen zusammen. Aus sogenannten toten Boxen, Gehäusen ohne Lautsprecher, ließen sie während des Intros Nebel, von unten blau angeleuchtet, in Kaskaden strömen. Das riesige ►Logo über und hinter dem Schlagzeugpodest reflektierte bestimmte Blitzeffekte und mit jedem weiteren Song des Repertoires legte Ralf Sauer mit seiner Lichtshow einen weiteren mystischen Schleier über die Band, bis er ihn bei »Thor« mit seinem Hammer mit einem Urknall aufhob und Samain in diesem Augenblick wahrlich wie herabgestiegene Götter wirken ließ.
Ursprünglich war der Thorhammer so konzipiert, dass sein Kopf (durch Auslösen eines kleinen Schalters der in seinem Innern mit etwas →Schwarzpulver versehenen Blitzlichter) in einer sprühenden kleinen Stichflamme hell gelb aufloderte. Peter schwang das Wahrzeichen des Donnergottes wirksam über seinen Kopf, jederzeit bereit ihn beim Schlussakkord zum Krachen zu bringen. Als es dann endlich soweit war, kam er unglücklicher Weise zu früh an den Auslöser, so dass sein Schlagzeuger [►Marc Newman] hinter ihm - gänzlich geblendet - in den Genuss des Effektes kam, nicht jedoch das Publikum.
»In diesem Moment war ich maßlos enttäuscht und sauer über mich selbst«, reflektiert Peter das Geschehen. »Ich dachte: Ich hab's versaut! Ich habe den Höhepunkt der Show vermasselt!« Um zu retten was zu retten war, entschied er sich im Bruchteil einer Sekunde den Hammer akribisch zu zertrümmern. Er hatte Ralf Sauer vergessen.
Als er sich abkniete und sein erster Schlag mit wütender Wucht auf den Boden sauste, schien die Bühne von jetzt auf gleich in einer ohrenbetäubenden Explosion in grellem Feuer zu stehen. Das Publikum, selbst in den hintersten Reihen, zuckte zurück und der Erbauer des Hammers, Bernd Grüll, vergoss entsetzt sein Bier und verließ, in dem irrigen Glauben ein Mordinstrument gebastelt und Band in die Luft gesprengt zu haben, fluchtartig den Saal.
Ralph dazu: »Ich sah, dass Peter den Blitz auslöste, als der Hammer hinter ihm, also für das Publikum nicht sichtbar, war. Ich dachte noch, 'was ein Scheiß' - und dann gingen die Bühnenbomben hoch. Das war nicht abgesprochen und ich stand direkt neben so einem Dingen. Als es hochging, spürte ich die Hitze, die Gitarrensaiten erschlafften und zogen wieder an. 'Was mach' ich jetzt, um das in eine passende Szene zu setzen?' fragte ich mich. Ich entschied mich, wie ein Irrwisch, der verletzt ist, über die Bühne zu taumeln. Der Effekt war grandios. Bernd [Grüll] ließ seinen Bierbecher fallen und stürzte aus dem Saal; Bernd fürchtete, ich hätte mich verletzt. Was für eine Showeinlage ...«
Es war, darüber waren sich alle Besucher einig, das beste Konzert, das je im Rockpalast Hohenlimburg aufgeführt worden war. Musik, Choreographie, Performance, Effekte ... alles hatte gestimmt und Cees Wessels [Roadrunner Records Chef] wie auch Karl-Heinz Osche gaben sich mehr als beeindruckt.
»Wir machen einen Kontrakt!« sagte der niederländische Plattenchef in fließendem Deutsch, als ihm Peter Ancaster, Ralph Veety und Bernd Emsermann eine Viertelstunde nach Ende des Gigs an der Theke gegenüberstanden. »Kommende Woche erhaltet ihr ein Vertragsmuster. Lest es durch und ruft mich an. Wir treffen uns im April zur Unterzeichnung und machen dann umgehend ein Album«.
Samain hatten es geschafft. Eine der schwierigsten Hürden im Musikgeschäft war genommen. Zugleich in der Presse frenetisch gefeiert, entlud sich ihre Euphorie in wilder Schaffensfreude.
Tatsächlich fand der Mustervertrag sich in der Woche nach dem Gig in Ancasters Briefkasten. Holger ließ ihn durch einen mit seinen Eltern befreundeten Anwalt prüfen und wiederum eine Woche darauf, am 26. März vereinbarte Peter einen Treffen mit Cees Wessels in →Kaatsheuvel, →Niederlande, wo der Firmenchef sich am 7. April eine andere Band seines Labels live auf einem →Open Air Festival ansehen wollte.
Der erste Dämpfer im Unternehmen Schallplattenvertrag und Album kam vier Tage später. Die Band hatte sich zu einer kleinen Feier im der Rockpalastkneipe eingefunden, als Gitarrist ►Fred Bertram eröffnete, den Vertrag nicht mit unterzeichnen zu wollen.
»Wir saßen da wie betäubt«, versuchte Ralph die Situation zu rekapitulieren. »Er erzählte etwas von seinem fast vollendeten Studium und den Unsicherheiten einer Musikerlaufbahn und dass sein Lebenstraum seit seiner Jugend sei →Ingenieur zu werden. Aber da hörte wohl schon keiner mehr zu. Wir waren völlig schockiert. Die Stimmung war jedenfalls dahin. Erst als Fred sich verabschiedet hatte und Bernd auf den Tisch schlug, um uns in seiner unnachahmlichen Art aufforderte nach vorne zu schauen, löste sich die beklemmende Spannung etwas«.
Dennoch, der Schreck saß tief. Die Probe am folgenden Tag fiel aus. Dafür gab es eine Krisensitzung. Fünf Leute sollten den Vertrag in fünf Tagen in Kaatsheuvel unterschreiben und weit und breit schien es keinen freien, zur Gruppe passenden Gitarristen zu geben. Für ein Inserat und langwieriges Vorspielen etwaiger Kandidaten war es zu spät. Ancaster schlug schließlich vor, ►Manfred Bayer zu reaktivieren, so er Interesse habe nochmals mit Emsermann zusammenzuspielen. Trotz langwieriger Diskussion, Rede und Gegenrede, Vorbehalten und Fürsprachen, schien Bayer zu diesem Zeitpunkt die einzige realisierbare Lösung.
Emsermann suchte den Ex-Gitarristen noch am selben Abend auf und brachte ihn in den Proberaum. Bayer gab sich abgeklärt. Die prekäre Lage der Band war ihm nur allzu deutlich bewusst und er genoss es im Mittelpunkt stehend umworben zu werden. Nachdem er seine Bedingungen geäußert hatte, von denen die für ihn wichtigste war, dass Emsermann ihn künftig nicht mehr anbrüllte (was der Bassist ganze drei Proben durchhielt!), einigte man sich darauf, den Vertrag gemeinsam zu signieren, das Album aufzunehmen und dann weiter zu sehen.
Am 7. April 1984 unterschrieben Samain in der Besetzung Peter Ancaster (voc), Bernd Emsermann (bg), Ralph Veety (gtr), Manfred Bayer (gtr) und Holger Neumann (dr) in Kaatsheuvel, Niederlande einen Schallplattenvertrag mit Roadrunner Records. Der Kontrakt garantierte ihnen eine weltweite Veröffentlichung ihrer Musik und sagte ihnen, mit einer Option seitens der Firma auf das jeweils nächste Album, drei Langspielplatten zu.
Obwohl ursprünglich angedacht war, dem Festival in Kaatsheuvel beizuwohnen und die Konkurrenz in Augenschein zu nehmen, wie z.B. →Warlock, die sich fast zeitgleich wie Samain formiert und einen Deal mit Roadrunners direkter Konkurrenz auf dem Independent Markt, →Mausoleum, →Belgien, geschlossen hatten, kehrten die fünf angehenden Rockstars nach nur einem kurzem Besuch umgehend nach →Hohenlimburg zurück, um im Rockpalast und anschließend in der Taverne den Erfolg zu feiern.
In der dritten Aprilwoche legte Cees Wessels den Produktionsbeginn für Samain auf Anfang Juni fest und bat die Band umgehend mit dem für die Aufnahmen vorgesehenen Studio in Verbindung zu treten. Die Entscheidung des niederländischen Plattenchefs war auf das ehemalige Emston Musik Studio, später Karo Musik Studio in →Münster gefallen. Es besaß eine ausgezeichnete Reputation und mit seinem Inhaber Karl-Heinz 'Kalle' Trapp einen erfahrenen Toningenieur im →Rock, →Hardrock und Heavy Metal Genre. →Peter Maffay hatte in seinen Räumen gearbeitet, ebenso wie →Udo Lindenberg, die →Gebrüder Engel oder der Ex-→Uriah Heep Vokalist →John Lawton. Außerdem nahmen Roadrunners zweite deutsche Entdeckung, die Münsteraner →Mad Max2, ihr Debüt in diesem Studio auf. Es lag nahe die Kosten, bei einer derart langen Studiobelegung, senken zu können. Tatsächlich betrug der Preis eines Produktionstages 1.400 DM (ca. 700 €) täglich. Mit seinen beiden nacheinander produzierenden Bands handelte Roadrunner eine Tagesmiete von 1.200 DM aus.
Die Band verzichtete auf telefonische Auskünfte und begab sich eigens nach Münster, um ihren künftigen »Mann hinter den Reglern« persönlich kennen zu lernen und sich einen Eindruck des Studios zu verschaffen. Tonchef und Band empfanden sofort Sympathie füreinander, eine Nuance, die sich später als nicht unbedeutend herausstellen würde. Trapp, der den Endmix für Mad Max Mitte Mai abzuschließen gedachte, erbat sich eine 14-tägige Ruhepause und legte den Produktionsstart auf Sonntag, den 3. Juni fest.
Es blieb die Frage nach einem geeigneten Produzenten. Cees Wessels stellte Samain frei, einen Aufnahmeleiter zu wählen oder von der Plattenfirma stellen zu lassen. Der Tenor in der Band war einstimmig: ►Frank Becking. Eine Wahl jedoch, die sich schwieriger realisieren ließ, als erwartet. Denn Frank Becking war nicht zu erreichen [Anm.: Becking arbeitete zeitgleich mit →Stefan Kleinkirg (→Extrabreit) an dessen Solo-Album →'Nur für Jungs'.]; und die Zeit drängte. Der April ging zu Ende und Roadrunner erwartete eine Entscheidung. Als Peter, Ralph und Bernd ihren designierten Produzenten endlich antrafen, zeigte sich dieser zwar erfreut und geschmeichelt, sagte dem Unternehmen indes nur unter Vorbehalt zu. Becking regelte seine geschäftlichen Angelegenheiten über Manager Hartwig Masuch3, dem einstigen Frontmann der →Ramblers. Anfang Mai trat Masuch mit Roadrunner telefonisch in Kontakt, gab jedoch erst am 7. des Monats, nach zähen Verhandlungen mit Cess Wessels, grünes Licht. Die Band atmete auf und Becking wurde umgehend aktiv. Kurzfristig beraumte er eine Vorproduktion des Albums vom 11. bis 13. Mai in der Rockranch Hagen an.
Fußnoten
1 Peter Fischer, geboren am 19. August 1966 in →Hagen, absolvierte 1989-1990 das →Guitar Institute Of Technology in Los Angeles, leitete 1991 die Rockgitarrenabteilung des →American Institute of Music in →Wien und erlangte Popularität durch Buchveröffentlichungen wie u.a. Masters Of Rock Guitar (1991), Rock Guitar Basics (1995) oder Masters Of Rock Guitar Vol. 2 – The New Generation (2005) sowie seinen Tätigkeiten als Gitarrist in unterschiedlichen Projekten, Produzent und Komponist.
2 Mad Max hatten 1982 mit Jürgen Breforth (gtr), Wilfred Schneider (gtr), Andreas Baesler (voc), Jürgen Sander (bg) und Uwe Starck (dr) ein selbst betiteltes Album im Eigenvertrieb veröffentlicht. Obwohl der Longplayer nicht wirklich zündete, errang die Band um Jürgen Breforth, er hatte Mad Max 1981 in Münster gegründet, die Aufmerksamkeit des niederländischen Labels Roadrunner. Nach einer Umbesetzung – für Andreas Baesler kam das Multitalent Michael Voss als Sänger in die Band und Thomas Hoffmann ersetzte Jürgen Sander am Bass – unterzeichneten sie als erste deutsche Band einen Vertrag bei Roadrunner. Ihr Debüt Rollin' Thunder, eingespielt im April und Mai 1984, erschien allerdings erst im Oktober 1984, einen guten Monat nach Samains Vibrations Of Doom.
3 Hartwig Masuch, mit dem bürgerlichen Namen Christian Schneider, wurde am 20. Juli 1954 in Hagen geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Ruhruniversität Bochum, beendete sein Studium 1978 jedoch ohne Abschluss, um seine Karriere in der Rockband The Ramblers zu starten, mit der er zwischen 1978 und 1980 zwei Alben veröffentlichte. 1980 begann er als freier Produzent und Verleger zu arbeiten. In dieser Zeit produzierte er das mit Platin ausgezeichnete Debütalbum der Gruppe Extrabreit (Ihre größten Erfolge, 1980) und arbeitete mit zahlreichen deutschen Künstlern, u.a. Ina Deter, Abwärts und den Stripes. Ab 1985 leitete Masuch die Repertoireabteilung von Warner Music Publishing Germany und wurde nach zwei Jahren zum General Manager und Vice President Creative Affairs befördert. Nach dem Zusammenschluss mit Intersong/Chappell wurde Warner Publishing in dieser Zeit zum gewinnbringendsten Verlag in Deutschland. Hartwig Masuch nahm in dieser Zeit eine der erfolgreichsten Rockbands der 1980er Jahre unter Vertrag: White Lion aus New York. In Deutschland vertrat er vertraglich Bands wie Elements Of Crime, Culture Beat, Blind Guardian, Jule Neigel und Philip Boa. 1991 wurde Hartwig Masuch Management Director und Senior Vize Präsident der BMG Music Publishing für Deutschland, Österreich und die Schweiz, einer Tochter des Bertelsmann Konzerns. Zusätzliche und ergänzende Informationen zu Hartwig Masuch finden sich im Internet unter: http://bmg.com/management/hartwig-masuch und http://de.wikipedia.org/wiki/BMG_Rights_Management (Stand Februar 2015).
Nein, Geld besaßen sie nicht. Aber Ehrgeiz und einen starken Willen gepaart mit einer enormen Schöpferkraft, Fantasie und jeder Menge Geistesblitzen. Peter gedachte seiner einstigen Roadcrew-Kollegen bei der →Pee Wee Bluesgang, dem Toningenieur Helmut Leser und dem Lichtdesigner Ralf Sauer.
»Als wir für die März-Veranstaltung eine P.A. buchen mussten, kam für mich ausschließlich Helmut in Betracht. Er war ein Soundfetischist im Sinne des Wortes und ich kannte derzeit keinen besseren«, erweiterte Peter die Ausführungen des Gitarristen, »und was das Licht betraf, wusste ich daß Ralf Sauer während der Pee Wee Tour mit einem kleinen, aber feinen Equipment unterwegs gewesen war und stets davon sprach daraus eines Tages etwas richtig Großes machen zu wollen. Also rief ich die beiden an und zu meiner Freude waren sie nicht nur frei, sondern erklärten sich sogar bereit, ihre Anlagen fünf Tage vor der Veranstaltung aufzubauen, so dass wir unsere Performance klang- und lichttechnisch minutiös einstudieren konnten«.
Doch das war nicht alles. Der experimentierfreudige Ralf Sauer nämlich hatte in Samain seine idealen Probanden gefunden. Gemeinsam mit Ancaster und Veety erarbeitete er für jeden einzelnen Song ein eigenes Licht und als er von ►»Thor« ♫ und dem von Bernd Grüll eigens dafür gebauten Hammer hörte, gingen sprichwörtlich die Pferde mit ihm durch. Er hatte neue Zündmechanismen für Magnesiumblitze und -bomben entwickelt und »der Hammer« bot ein ideales Testfeld »den Effekt noch ein wenig spektakulärer zu gestalten«, wie er sich ausdrückte.
Ein Debüt der Märzveranstaltung bildete auch die Samain Crew, bestehend aus Uli Hülle für Organisation, Planung und Bühne, dem Autoren, Jeffrey Elias Craigg, für Transport und Equipment, Peter Fahl für Materialbeschaffung, Michael Shaw, für das Schlagzeug, Carsten Schröder, für Bühnenbau und schließlich Peter Fischer für Gitarren und Bass. Hülle, Craigg, Shaw und Schröder blieben der Gruppe nach dem Festival als feste Roadies erhalten. Fahl gesellte sich bis Juni sporadisch dazu. Peter Fischer schloss sich der Mannschaft um Uli Hülle nicht an, da er andere - und wie die Zukunft zeigen würde - sehr erfolgreiche Pläne hatte1. Er kehrte jedoch als Gitarrenroadie bei einer anderen Großveranstaltung noch einmal zu Samain zurück.
Am 17. März 1984 traten Samain so nicht nur mit einer für die Größenordnung des Rockpalastes gigantischen P.A. und Lichtanlage auf, sondern vor allem mit einer detailliert geplanten Show. Da es ihnen am nötigen Kleingeld für eine ihren damals mythologischen Texten entsprechenden Kulisse gemangelt hatte, liehen sie sich eine Backline aus →Marshall-Verstärkern und -boxen zusammen. Aus sogenannten toten Boxen, Gehäusen ohne Lautsprecher, ließen sie während des Intros Nebel, von unten blau angeleuchtet, in Kaskaden strömen. Das riesige ►Logo über und hinter dem Schlagzeugpodest reflektierte bestimmte Blitzeffekte und mit jedem weiteren Song des Repertoires legte Ralf Sauer mit seiner Lichtshow einen weiteren mystischen Schleier über die Band, bis er ihn bei »Thor« mit seinem Hammer mit einem Urknall aufhob und Samain in diesem Augenblick wahrlich wie herabgestiegene Götter wirken ließ.
Ursprünglich war der Thorhammer so konzipiert, dass sein Kopf (durch Auslösen eines kleinen Schalters der in seinem Innern mit etwas →Schwarzpulver versehenen Blitzlichter) in einer sprühenden kleinen Stichflamme hell gelb aufloderte. Peter schwang das Wahrzeichen des Donnergottes wirksam über seinen Kopf, jederzeit bereit ihn beim Schlussakkord zum Krachen zu bringen. Als es dann endlich soweit war, kam er unglücklicher Weise zu früh an den Auslöser, so dass sein Schlagzeuger [►Marc Newman] hinter ihm - gänzlich geblendet - in den Genuss des Effektes kam, nicht jedoch das Publikum.
»In diesem Moment war ich maßlos enttäuscht und sauer über mich selbst«, reflektiert Peter das Geschehen. »Ich dachte: Ich hab's versaut! Ich habe den Höhepunkt der Show vermasselt!« Um zu retten was zu retten war, entschied er sich im Bruchteil einer Sekunde den Hammer akribisch zu zertrümmern. Er hatte Ralf Sauer vergessen.
Als er sich abkniete und sein erster Schlag mit wütender Wucht auf den Boden sauste, schien die Bühne von jetzt auf gleich in einer ohrenbetäubenden Explosion in grellem Feuer zu stehen. Das Publikum, selbst in den hintersten Reihen, zuckte zurück und der Erbauer des Hammers, Bernd Grüll, vergoss entsetzt sein Bier und verließ, in dem irrigen Glauben ein Mordinstrument gebastelt und Band in die Luft gesprengt zu haben, fluchtartig den Saal.
Ralph dazu: »Ich sah, dass Peter den Blitz auslöste, als der Hammer hinter ihm, also für das Publikum nicht sichtbar, war. Ich dachte noch, 'was ein Scheiß' - und dann gingen die Bühnenbomben hoch. Das war nicht abgesprochen und ich stand direkt neben so einem Dingen. Als es hochging, spürte ich die Hitze, die Gitarrensaiten erschlafften und zogen wieder an. 'Was mach' ich jetzt, um das in eine passende Szene zu setzen?' fragte ich mich. Ich entschied mich, wie ein Irrwisch, der verletzt ist, über die Bühne zu taumeln. Der Effekt war grandios. Bernd [Grüll] ließ seinen Bierbecher fallen und stürzte aus dem Saal; Bernd fürchtete, ich hätte mich verletzt. Was für eine Showeinlage ...«
Es war, darüber waren sich alle Besucher einig, das beste Konzert, das je im Rockpalast Hohenlimburg aufgeführt worden war. Musik, Choreographie, Performance, Effekte ... alles hatte gestimmt und Cees Wessels [Roadrunner Records Chef] wie auch Karl-Heinz Osche gaben sich mehr als beeindruckt.
»Wir machen einen Kontrakt!« sagte der niederländische Plattenchef in fließendem Deutsch, als ihm Peter Ancaster, Ralph Veety und Bernd Emsermann eine Viertelstunde nach Ende des Gigs an der Theke gegenüberstanden. »Kommende Woche erhaltet ihr ein Vertragsmuster. Lest es durch und ruft mich an. Wir treffen uns im April zur Unterzeichnung und machen dann umgehend ein Album«.
Samain hatten es geschafft. Eine der schwierigsten Hürden im Musikgeschäft war genommen. Zugleich in der Presse frenetisch gefeiert, entlud sich ihre Euphorie in wilder Schaffensfreude.
Tatsächlich fand der Mustervertrag sich in der Woche nach dem Gig in Ancasters Briefkasten. Holger ließ ihn durch einen mit seinen Eltern befreundeten Anwalt prüfen und wiederum eine Woche darauf, am 26. März vereinbarte Peter einen Treffen mit Cees Wessels in →Kaatsheuvel, →Niederlande, wo der Firmenchef sich am 7. April eine andere Band seines Labels live auf einem →Open Air Festival ansehen wollte.
Der erste Dämpfer im Unternehmen Schallplattenvertrag und Album kam vier Tage später. Die Band hatte sich zu einer kleinen Feier im der Rockpalastkneipe eingefunden, als Gitarrist ►Fred Bertram eröffnete, den Vertrag nicht mit unterzeichnen zu wollen.
»Wir saßen da wie betäubt«, versuchte Ralph die Situation zu rekapitulieren. »Er erzählte etwas von seinem fast vollendeten Studium und den Unsicherheiten einer Musikerlaufbahn und dass sein Lebenstraum seit seiner Jugend sei →Ingenieur zu werden. Aber da hörte wohl schon keiner mehr zu. Wir waren völlig schockiert. Die Stimmung war jedenfalls dahin. Erst als Fred sich verabschiedet hatte und Bernd auf den Tisch schlug, um uns in seiner unnachahmlichen Art aufforderte nach vorne zu schauen, löste sich die beklemmende Spannung etwas«.
Dennoch, der Schreck saß tief. Die Probe am folgenden Tag fiel aus. Dafür gab es eine Krisensitzung. Fünf Leute sollten den Vertrag in fünf Tagen in Kaatsheuvel unterschreiben und weit und breit schien es keinen freien, zur Gruppe passenden Gitarristen zu geben. Für ein Inserat und langwieriges Vorspielen etwaiger Kandidaten war es zu spät. Ancaster schlug schließlich vor, ►Manfred Bayer zu reaktivieren, so er Interesse habe nochmals mit Emsermann zusammenzuspielen. Trotz langwieriger Diskussion, Rede und Gegenrede, Vorbehalten und Fürsprachen, schien Bayer zu diesem Zeitpunkt die einzige realisierbare Lösung.
Emsermann suchte den Ex-Gitarristen noch am selben Abend auf und brachte ihn in den Proberaum. Bayer gab sich abgeklärt. Die prekäre Lage der Band war ihm nur allzu deutlich bewusst und er genoss es im Mittelpunkt stehend umworben zu werden. Nachdem er seine Bedingungen geäußert hatte, von denen die für ihn wichtigste war, dass Emsermann ihn künftig nicht mehr anbrüllte (was der Bassist ganze drei Proben durchhielt!), einigte man sich darauf, den Vertrag gemeinsam zu signieren, das Album aufzunehmen und dann weiter zu sehen.
Am 7. April 1984 unterschrieben Samain in der Besetzung Peter Ancaster (voc), Bernd Emsermann (bg), Ralph Veety (gtr), Manfred Bayer (gtr) und Holger Neumann (dr) in Kaatsheuvel, Niederlande einen Schallplattenvertrag mit Roadrunner Records. Der Kontrakt garantierte ihnen eine weltweite Veröffentlichung ihrer Musik und sagte ihnen, mit einer Option seitens der Firma auf das jeweils nächste Album, drei Langspielplatten zu.
Obwohl ursprünglich angedacht war, dem Festival in Kaatsheuvel beizuwohnen und die Konkurrenz in Augenschein zu nehmen, wie z.B. →Warlock, die sich fast zeitgleich wie Samain formiert und einen Deal mit Roadrunners direkter Konkurrenz auf dem Independent Markt, →Mausoleum, →Belgien, geschlossen hatten, kehrten die fünf angehenden Rockstars nach nur einem kurzem Besuch umgehend nach →Hohenlimburg zurück, um im Rockpalast und anschließend in der Taverne den Erfolg zu feiern.
In der dritten Aprilwoche legte Cees Wessels den Produktionsbeginn für Samain auf Anfang Juni fest und bat die Band umgehend mit dem für die Aufnahmen vorgesehenen Studio in Verbindung zu treten. Die Entscheidung des niederländischen Plattenchefs war auf das ehemalige Emston Musik Studio, später Karo Musik Studio in →Münster gefallen. Es besaß eine ausgezeichnete Reputation und mit seinem Inhaber Karl-Heinz 'Kalle' Trapp einen erfahrenen Toningenieur im →Rock, →Hardrock und Heavy Metal Genre. →Peter Maffay hatte in seinen Räumen gearbeitet, ebenso wie →Udo Lindenberg, die →Gebrüder Engel oder der Ex-→Uriah Heep Vokalist →John Lawton. Außerdem nahmen Roadrunners zweite deutsche Entdeckung, die Münsteraner →Mad Max2, ihr Debüt in diesem Studio auf. Es lag nahe die Kosten, bei einer derart langen Studiobelegung, senken zu können. Tatsächlich betrug der Preis eines Produktionstages 1.400 DM (ca. 700 €) täglich. Mit seinen beiden nacheinander produzierenden Bands handelte Roadrunner eine Tagesmiete von 1.200 DM aus.
Die Band verzichtete auf telefonische Auskünfte und begab sich eigens nach Münster, um ihren künftigen »Mann hinter den Reglern« persönlich kennen zu lernen und sich einen Eindruck des Studios zu verschaffen. Tonchef und Band empfanden sofort Sympathie füreinander, eine Nuance, die sich später als nicht unbedeutend herausstellen würde. Trapp, der den Endmix für Mad Max Mitte Mai abzuschließen gedachte, erbat sich eine 14-tägige Ruhepause und legte den Produktionsstart auf Sonntag, den 3. Juni fest.
Es blieb die Frage nach einem geeigneten Produzenten. Cees Wessels stellte Samain frei, einen Aufnahmeleiter zu wählen oder von der Plattenfirma stellen zu lassen. Der Tenor in der Band war einstimmig: ►Frank Becking. Eine Wahl jedoch, die sich schwieriger realisieren ließ, als erwartet. Denn Frank Becking war nicht zu erreichen [Anm.: Becking arbeitete zeitgleich mit →Stefan Kleinkirg (→Extrabreit) an dessen Solo-Album →'Nur für Jungs'.]; und die Zeit drängte. Der April ging zu Ende und Roadrunner erwartete eine Entscheidung. Als Peter, Ralph und Bernd ihren designierten Produzenten endlich antrafen, zeigte sich dieser zwar erfreut und geschmeichelt, sagte dem Unternehmen indes nur unter Vorbehalt zu. Becking regelte seine geschäftlichen Angelegenheiten über Manager Hartwig Masuch3, dem einstigen Frontmann der →Ramblers. Anfang Mai trat Masuch mit Roadrunner telefonisch in Kontakt, gab jedoch erst am 7. des Monats, nach zähen Verhandlungen mit Cess Wessels, grünes Licht. Die Band atmete auf und Becking wurde umgehend aktiv. Kurzfristig beraumte er eine Vorproduktion des Albums vom 11. bis 13. Mai in der Rockranch Hagen an.
Fußnoten
1 Peter Fischer, geboren am 19. August 1966 in →Hagen, absolvierte 1989-1990 das →Guitar Institute Of Technology in Los Angeles, leitete 1991 die Rockgitarrenabteilung des →American Institute of Music in →Wien und erlangte Popularität durch Buchveröffentlichungen wie u.a. Masters Of Rock Guitar (1991), Rock Guitar Basics (1995) oder Masters Of Rock Guitar Vol. 2 – The New Generation (2005) sowie seinen Tätigkeiten als Gitarrist in unterschiedlichen Projekten, Produzent und Komponist.
2 Mad Max hatten 1982 mit Jürgen Breforth (gtr), Wilfred Schneider (gtr), Andreas Baesler (voc), Jürgen Sander (bg) und Uwe Starck (dr) ein selbst betiteltes Album im Eigenvertrieb veröffentlicht. Obwohl der Longplayer nicht wirklich zündete, errang die Band um Jürgen Breforth, er hatte Mad Max 1981 in Münster gegründet, die Aufmerksamkeit des niederländischen Labels Roadrunner. Nach einer Umbesetzung – für Andreas Baesler kam das Multitalent Michael Voss als Sänger in die Band und Thomas Hoffmann ersetzte Jürgen Sander am Bass – unterzeichneten sie als erste deutsche Band einen Vertrag bei Roadrunner. Ihr Debüt Rollin' Thunder, eingespielt im April und Mai 1984, erschien allerdings erst im Oktober 1984, einen guten Monat nach Samains Vibrations Of Doom.
3 Hartwig Masuch, mit dem bürgerlichen Namen Christian Schneider, wurde am 20. Juli 1954 in Hagen geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Ruhruniversität Bochum, beendete sein Studium 1978 jedoch ohne Abschluss, um seine Karriere in der Rockband The Ramblers zu starten, mit der er zwischen 1978 und 1980 zwei Alben veröffentlichte. 1980 begann er als freier Produzent und Verleger zu arbeiten. In dieser Zeit produzierte er das mit Platin ausgezeichnete Debütalbum der Gruppe Extrabreit (Ihre größten Erfolge, 1980) und arbeitete mit zahlreichen deutschen Künstlern, u.a. Ina Deter, Abwärts und den Stripes. Ab 1985 leitete Masuch die Repertoireabteilung von Warner Music Publishing Germany und wurde nach zwei Jahren zum General Manager und Vice President Creative Affairs befördert. Nach dem Zusammenschluss mit Intersong/Chappell wurde Warner Publishing in dieser Zeit zum gewinnbringendsten Verlag in Deutschland. Hartwig Masuch nahm in dieser Zeit eine der erfolgreichsten Rockbands der 1980er Jahre unter Vertrag: White Lion aus New York. In Deutschland vertrat er vertraglich Bands wie Elements Of Crime, Culture Beat, Blind Guardian, Jule Neigel und Philip Boa. 1991 wurde Hartwig Masuch Management Director und Senior Vize Präsident der BMG Music Publishing für Deutschland, Österreich und die Schweiz, einer Tochter des Bertelsmann Konzerns. Zusätzliche und ergänzende Informationen zu Hartwig Masuch finden sich im Internet unter: http://bmg.com/management/hartwig-masuch und http://de.wikipedia.org/wiki/BMG_Rights_Management (Stand Februar 2015).