Rockpalast Hohenlimburg
© Craigg, Miñoza, Wiethoff • Auszüge aus "Vicious Circles", Jeffrey Elias Craigg
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Where else ▼
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Where else ▼
"Ein Typ kam auf mich zu und fragte: »Was ist Punk?«
Ich trat gegen einen Abfalleimer und antwortete: »Das ist Punk!«
Der Typ trat ebenfalls vor den Abfalleimer und rief »Das ist Punk?«
Ich erwiderte: »Nein, jetzt ist es Trend!«"
(Billie Joe Armstrong, Gitarrist von Green Day)
Die Einheimischen nannten ihn liebevoll »das Kino«. Ihn, damit ist der Rockpalast gemeint, dessen Pforten sich in den letzten Tagen des schwindenden Jahres 1980 im Stadtteil Hohenlimburg-Oege öffneten. Unterhaltung und Kurzweil der besonderen Art hatten sich seine Betreiber auf die Fahnen geschrieben, für die Jugend und für alle die jung geblieben waren. Ob heiße Rocknacht oder Konzert, wilde Party oder guter Film, ob tiefsinniges Gespräch in der Teestube oder einfach nur ein Bier am Tresen, sein Programm sollte vielseitig und abwechslungsreich sein und die Genres der Musik und all ihre Subkulturen unter seinem Dach vereinen. Es begann jedoch mit etwas völlig anderem.
In den 1960er und 70er Jahren als Lichtspieltheater und kurz vor seiner Schließung als Pornokino betrieben, mietete Norbert 'Nobi' Höhne, ein Jungunternehmer aus →Letmathe, das Gebäude im Herbst 1979 an. Doch Nobi war weit entfernt davon die seit nun mehr drei Jahren leer stehenden Räumlichkeiten für Entertainment zu nutzen. Er installierte eine kleine Drahtzieherei, trennte ein gutes Viertel des einstigen Saales für Ziehscheibe, Ziehstein und Abhaspel ab und lagerte die Drahtrollen im übrigen Teil. Die Geschäfte indes liefen nicht wie erhofft. Kaum ein Jahr nach seiner Gründung steuerte das Unternehmen unaufhaltsam der Pleite entgegen. Kurz davor die Fabrik schließen zu müssen, kam sein alter Freund Michael Arens während eines biergeselligen Abends auf die Idee, den Saal und seine recht große Bühne für Konzerte zu nutzen. Eine Schnapsidee, aber Nobi ließ sie nicht mehr los. In seiner Freizeit Sänger einer Hobbyband namens Kugelblitz, kannte er die Nöte der heimischen Gruppen an mangelnden Auftrittsmöglichkeiten ebenso, wie die Tatsache wie schwer die Behörden es den lokalen Veranstaltern machten Rockkonzerte in städtischen Hallen und Sälen durchzuführen. Einige Tage später griff er Michaels Idee auf. Und er hatte ein Konzept. Um dieses zu realisieren, benötigte er allerdings sachkundige Hilfe, und so bot er dem geistigen Vater des Gedankens eine Teilhaberschaft an. Michael Arens, ein gelernter Bürokaufmann und in jenen Tagen ohne Anstellung, ließ sich nicht lange bitten. Er besaß das kaufmännische Know-how, wusste wo welche Genehmigungen zu erhalten waren, kannte sich mit den urheberrechtlichen Bestimmungen der →GEMA aus und war nicht zuletzt als Musikkenner vor allem mit Insider- und Independentbands vertraut.
Nobis Konzept sah vor gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Größere Bands sollten als Publikumsmagneten für Umsätze und Gewinne sorgen, kleinere Bands gefördert werden. Um das Unternehmen nicht von Beginn an steuerlich zu belasten und um die Bewilligungspflicht des Gewerbes zumindest anfänglich zu umgehen, riefen Michael und Nobi, dessen Frau Roswitha und zwei guten Freunden einen Verein ins Leben. In Anlehnung der seit 1976 vom →WDR [Fernsehen] ausgestrahlten populären →Fernsehsendung [Rockpalast] gaben sie ihm den Namen Rockpalast Hohenlimburg e.V. 1.
Der Saal wurde von Draht und Arbeitsgerät befreit2 und für Konzerte hergerichtet. Im Dezember 1980 war es soweit. Der Rockpalast Hohenlimburg e.V. bat zu seiner ersten öffentlichen Veranstaltung, zu der Michael die aus Iserlohn und Letmathe stammenden und überregional bereits recht erfolgreichen →Zoff um ihre zentrale Figur →Reiner Hänsch verpflichtet hatte. Er ließ Plakate und Werbeanzeigen drucken und Nobi errichtete zur Bewirtung der Konzertbesucher im hinteren Teil der Halle, die etwa 1.500 Leute fasste, ein Bierzelt.
Der Erfolg war umwerfend und beflügelte das Team Höhne/Arens weitere Eingebungen, aber auch ungewöhnliche Konzepte umzusetzen. Zunächst weiteten sie ihr Programm auf nahe liegende Möglichkeiten aus. Ab Februar 1981 nahmen sie den alten Vorführraum des Luxkinos wieder in Betrieb. Das Lichtspieltheater, so die Bühne nicht für Konzerte genutzt wurde, lebte als Programmkino wieder auf. Die Filme liefen ab Nachmittag bis spät in die Nacht. Streifen wie →'Das Leben des Brian', →'Blues Brothers' oder der bereits 1971 von Stanley Kubrick verfilmte →'A Clockwork Orange' zeigten sich als wahre Kassenknüller.
Im Frühjahr 1981 begannen die Außenarbeiten. Das Gebäude wurde renoviert und erhielt einen lilafarbenen Anstrich. Für einige Wochen war der Saalboden mit weißem Sand bedeckt, vor der Bühne wurde ein 3 x 3 Meter großer Swimmingpool aufgestellt. Strand- und Wasserpartys waren angesagt und die Kinobesucher sahen ihre Filme aus bequemen Liegestühlen. Vier Monate nach seiner Eröffnung erfreute sich der Rockpalast einer überregionalen Popularität. →Extrabreit, abermals Zoff und die →Pee Wee Bluesgang füllten ihn ebenso wie →Hermann Brood und →Gruppo Sportivo aus den →Niederlanden. Nobi und Michael beschlossen ihr Unternehmen als einen echten Szenetreffpunkt zu etablieren. Aus dem Foyer und der langen Garderobe des ehemaligen Luxkinos entstand nach Entwürfen des bekannten Hohenlimburger Künstlers Otto Kamphues die Rockpalastkneipe [siehe Foto]. Die Arbeiten begannen im Juni 1981, und Ende Juli fand die Eröffnungsparty statt, zu der es am frühen Abend keinen freien Stehplatz mehr gab.
►Ralph Veety widmete dem Rockpalast in seinen Erinnerungen einige Jahre später die Worte:
Von außen war von den Renovierungen allerdings herzlich wenig zu bemerken. Der frisch gestrichene Eingangsbereich riss es auch nicht mehr raus. Dachkonstruktion und Mauerwerk sahen eben wenig Vertrauen erweckend aus. Gründerjahre und Gegenwart hatten ihre Spuren hinterlassen. Metallverarbeitung, eine Zementfabrik, Eisenbahn- und Speditionsbetriebe hatten alles mit einer dicken Schicht aus Rost, Ruß und Dreck überzogen. Für die braven Bürger also genau der richtige Aufenthaltsort einer Jugend, die in ihren Augen ebenso verkommen war wie das Gebäude. Wobei sie ihr eigenes damaliges Exil in den Jazz- und Rock & Roll Schuppen erfolgreich verdrängten und vergaßen.
Der Palast selbst wirkte wie ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit. Ein Anachronismus zwischen verdreckten Mietskasernen, die ebenfalls bessere Jahre gesehen hatten. Und inmitten dieser Trostlosigkeit erhob sich der Zwiebelturm ein wenig zaghaft in die Höhe. Ein Wunder, dass das Bauwerk seinen Charme nicht verloren hatte, nachdem es als Turnhalle, Kriegslazarett, Flüchtlingslager, Kino, Kegelbahn und Drahtzieherei gedient hatte.
Ansonsten erschien das lila angepinselte Jugendstilgebäude eher wie ein Drache, dessen Maul - eine Flügeltür - weit geöffnet auf Futter wartete. Seine Zähne waren zwei Strahler, die im Eingangsbereich Lichtfinger in die wabernde Düsternis sandten. Eine Düsternis, die sich zwischen den Industrie- und Bahnanlagen wie eine dumpfe Decke ausbreitete.
Ein Gimmick besonderer Art war der an der Wand hoch wachsende →Hopfen. Der nämlich sollte für das zukünftige Rockpalast-Bier kräftig wachsen, und wurde von den männlichen Palastbesuchern aus Bequemlichkeit gerne als →Pissoir benutzt. Das weibliche Gewächs schien die salzige Düngung sehr zu schätzen, denn der Hopfen spross schneller, als es sich der Pflanzer in seinen kühnsten Träumen zu erhoffen gewagt hatte. Was den Verdacht nahe legte, dass diese Pflanze möglicherweise zur Gattung der Voyeure gehörte. Sozusagen eine Peepshow mit Grünzeug. Selbst Nutten wären vor Neid erblasst, in Anbetracht der schier unzählbaren Schwengel, die vor den Blättern baumelten und sie hin und wieder zärtlich berührten ...3
Das Sommer Rock Festival mit Biergarten vor dem Gebäude (zwischen LKWs und Bahngleisen) wurde eingeführt und der Musikertreff, ein Hagener Szenemagazin, das aus einem gleichnamigen Instrumentenladen hervorgegangen war und aktiv die Förderung heimischer Bands ankurbelte, kehrte in regelmäßigen Abständen mit seinen so genannten Hitfestivals in der Konzerthalle ein. Die Reste der Drahtzieherei im hinteren Saal verschwanden vollständig. An ihre Stelle trat eine Teestube, in die später, nach einem erneuten Umbau, das Programmkino mit weichen, komfortablen Sitzen verlegt wurde. Die Bühne erhielt einen eigenen kleinen Backstage-Bereich, in dem die Musiker sich umziehen und sich ungestört auf ihren Auftritt vorbereiten konnten. Ende des Jahres 1981 war der Rockpalast vollendet und es entstand was Nobi Höhne und Michael Arens beabsichtigt hatten: Ein Szenetreffpunkt, der weit über die Stadtgrenzen hinaus an Bedeutung gewann und für die Touren bekannter und beliebter Künstler und Gruppen lukrativ wurde. →Marius Müller Westernhagen, →BAP, Extrabreit, →Accept, →Nektar, →Jane, Herman Brood, →Mitch Ryder und →Ginger Baker spielten hier, um nur einige Größen der Rockmusik zu nennen.
Bis zu Beginn des Jahres 1983 erwies sich der Rockpalast Hohenlimburg als wahre Goldgrube. Kaufmännische Fehlentscheidungen und private Probleme seiner Betreiber führten dann im Frühjahr zu einem Besitzerwechsel und schließlich, im September 1984, zu seiner endgültigen Schließung.
►Peter Ancaster hatte sich im Januar 1981 dem Team um Norbert Höhne und Michael Arens angeschlossen. Anfänglich als Plakatierer, beauftragte ihn Nobi dann jedoch seinen Fähigkeiten entsprechend ab August Veranstaltungshinweise und Konzertkritiken für die örtlichen Zeitungen →Westfalenpost und →Westfälische Rundschau sowie die Wochenblätter →Wochenkurier und Stadtanzeiger zu schreiben. Peters Arbeit zeigte sich rasch als wichtige Bereicherung, zumal seine Texte als gute Werbeträger dienten und Kosten für Anzeigen einsparten. Auch Michael erkannte das Talent des neuen Mitarbeiters und übertrug Peter im Frühling 1982 das Entwerfen und Erstellen der monatlichen Programmhefte.
Für Peter, der im Juni 1981 den →Bundesgrenzschutz verlassen hatte, war der Rockpalast eine ideale Rückkehr in die Musikszene. Kontakte zu anderen Musikern, ergaben sich zwangsläufig - er lernte hier u.a. den zu jener Zeit für den Musikertreff schreibenden Gitarristen Ralph Veety kennen -, aber vor allem erwarb er insbesondere durch Michael Arens ein umfangreiches Wissen über den Hintergrund des Musikgeschäftes und die Organisation von Veranstaltungen. Unter dem Nachfolger der Höhne/Arens Ära, Andreas König, avancierte er schließlich zum Manager, eine Position, die er nicht zuletzt erfolgreich für Samain zu nutzen verstand.
Doch soweit war es an jenem 17. Dezember 1982 noch nicht, als Peter seine beiden ehemaligen Bandkollegen von ►Laissez Faire‼ zu einem Gespräch in den Rockpalast gebeten hatte.
Fussnoten
1 Hauptsächlich ging es hierbei um den Bierausschank und die Öffnungszeiten. Offiziell war jeder Besucher bzw. Gast des Rockpalastes zugleich Vereinsmitglied. Die übliche Konzession für das gastronomische Gewerbe konnte somit durch den Verein umgangen werden. Als gemeinnützig anerkannt, war der Rockpalast Hohenlimburg e.V. von Steuern befreit.
2 bis Juni 1981
3 Ralph Veety & Peter Ancaster, 'Ekrons Kinder', 1992, unveröffentlicht
In den 1960er und 70er Jahren als Lichtspieltheater und kurz vor seiner Schließung als Pornokino betrieben, mietete Norbert 'Nobi' Höhne, ein Jungunternehmer aus →Letmathe, das Gebäude im Herbst 1979 an. Doch Nobi war weit entfernt davon die seit nun mehr drei Jahren leer stehenden Räumlichkeiten für Entertainment zu nutzen. Er installierte eine kleine Drahtzieherei, trennte ein gutes Viertel des einstigen Saales für Ziehscheibe, Ziehstein und Abhaspel ab und lagerte die Drahtrollen im übrigen Teil. Die Geschäfte indes liefen nicht wie erhofft. Kaum ein Jahr nach seiner Gründung steuerte das Unternehmen unaufhaltsam der Pleite entgegen. Kurz davor die Fabrik schließen zu müssen, kam sein alter Freund Michael Arens während eines biergeselligen Abends auf die Idee, den Saal und seine recht große Bühne für Konzerte zu nutzen. Eine Schnapsidee, aber Nobi ließ sie nicht mehr los. In seiner Freizeit Sänger einer Hobbyband namens Kugelblitz, kannte er die Nöte der heimischen Gruppen an mangelnden Auftrittsmöglichkeiten ebenso, wie die Tatsache wie schwer die Behörden es den lokalen Veranstaltern machten Rockkonzerte in städtischen Hallen und Sälen durchzuführen. Einige Tage später griff er Michaels Idee auf. Und er hatte ein Konzept. Um dieses zu realisieren, benötigte er allerdings sachkundige Hilfe, und so bot er dem geistigen Vater des Gedankens eine Teilhaberschaft an. Michael Arens, ein gelernter Bürokaufmann und in jenen Tagen ohne Anstellung, ließ sich nicht lange bitten. Er besaß das kaufmännische Know-how, wusste wo welche Genehmigungen zu erhalten waren, kannte sich mit den urheberrechtlichen Bestimmungen der →GEMA aus und war nicht zuletzt als Musikkenner vor allem mit Insider- und Independentbands vertraut.
Nobis Konzept sah vor gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Größere Bands sollten als Publikumsmagneten für Umsätze und Gewinne sorgen, kleinere Bands gefördert werden. Um das Unternehmen nicht von Beginn an steuerlich zu belasten und um die Bewilligungspflicht des Gewerbes zumindest anfänglich zu umgehen, riefen Michael und Nobi, dessen Frau Roswitha und zwei guten Freunden einen Verein ins Leben. In Anlehnung der seit 1976 vom →WDR [Fernsehen] ausgestrahlten populären →Fernsehsendung [Rockpalast] gaben sie ihm den Namen Rockpalast Hohenlimburg e.V. 1.
Der Saal wurde von Draht und Arbeitsgerät befreit2 und für Konzerte hergerichtet. Im Dezember 1980 war es soweit. Der Rockpalast Hohenlimburg e.V. bat zu seiner ersten öffentlichen Veranstaltung, zu der Michael die aus Iserlohn und Letmathe stammenden und überregional bereits recht erfolgreichen →Zoff um ihre zentrale Figur →Reiner Hänsch verpflichtet hatte. Er ließ Plakate und Werbeanzeigen drucken und Nobi errichtete zur Bewirtung der Konzertbesucher im hinteren Teil der Halle, die etwa 1.500 Leute fasste, ein Bierzelt.
Der Erfolg war umwerfend und beflügelte das Team Höhne/Arens weitere Eingebungen, aber auch ungewöhnliche Konzepte umzusetzen. Zunächst weiteten sie ihr Programm auf nahe liegende Möglichkeiten aus. Ab Februar 1981 nahmen sie den alten Vorführraum des Luxkinos wieder in Betrieb. Das Lichtspieltheater, so die Bühne nicht für Konzerte genutzt wurde, lebte als Programmkino wieder auf. Die Filme liefen ab Nachmittag bis spät in die Nacht. Streifen wie →'Das Leben des Brian', →'Blues Brothers' oder der bereits 1971 von Stanley Kubrick verfilmte →'A Clockwork Orange' zeigten sich als wahre Kassenknüller.
Im Frühjahr 1981 begannen die Außenarbeiten. Das Gebäude wurde renoviert und erhielt einen lilafarbenen Anstrich. Für einige Wochen war der Saalboden mit weißem Sand bedeckt, vor der Bühne wurde ein 3 x 3 Meter großer Swimmingpool aufgestellt. Strand- und Wasserpartys waren angesagt und die Kinobesucher sahen ihre Filme aus bequemen Liegestühlen. Vier Monate nach seiner Eröffnung erfreute sich der Rockpalast einer überregionalen Popularität. →Extrabreit, abermals Zoff und die →Pee Wee Bluesgang füllten ihn ebenso wie →Hermann Brood und →Gruppo Sportivo aus den →Niederlanden. Nobi und Michael beschlossen ihr Unternehmen als einen echten Szenetreffpunkt zu etablieren. Aus dem Foyer und der langen Garderobe des ehemaligen Luxkinos entstand nach Entwürfen des bekannten Hohenlimburger Künstlers Otto Kamphues die Rockpalastkneipe [siehe Foto]. Die Arbeiten begannen im Juni 1981, und Ende Juli fand die Eröffnungsparty statt, zu der es am frühen Abend keinen freien Stehplatz mehr gab.
►Ralph Veety widmete dem Rockpalast in seinen Erinnerungen einige Jahre später die Worte:
Von außen war von den Renovierungen allerdings herzlich wenig zu bemerken. Der frisch gestrichene Eingangsbereich riss es auch nicht mehr raus. Dachkonstruktion und Mauerwerk sahen eben wenig Vertrauen erweckend aus. Gründerjahre und Gegenwart hatten ihre Spuren hinterlassen. Metallverarbeitung, eine Zementfabrik, Eisenbahn- und Speditionsbetriebe hatten alles mit einer dicken Schicht aus Rost, Ruß und Dreck überzogen. Für die braven Bürger also genau der richtige Aufenthaltsort einer Jugend, die in ihren Augen ebenso verkommen war wie das Gebäude. Wobei sie ihr eigenes damaliges Exil in den Jazz- und Rock & Roll Schuppen erfolgreich verdrängten und vergaßen.
Der Palast selbst wirkte wie ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit. Ein Anachronismus zwischen verdreckten Mietskasernen, die ebenfalls bessere Jahre gesehen hatten. Und inmitten dieser Trostlosigkeit erhob sich der Zwiebelturm ein wenig zaghaft in die Höhe. Ein Wunder, dass das Bauwerk seinen Charme nicht verloren hatte, nachdem es als Turnhalle, Kriegslazarett, Flüchtlingslager, Kino, Kegelbahn und Drahtzieherei gedient hatte.
Ansonsten erschien das lila angepinselte Jugendstilgebäude eher wie ein Drache, dessen Maul - eine Flügeltür - weit geöffnet auf Futter wartete. Seine Zähne waren zwei Strahler, die im Eingangsbereich Lichtfinger in die wabernde Düsternis sandten. Eine Düsternis, die sich zwischen den Industrie- und Bahnanlagen wie eine dumpfe Decke ausbreitete.
Ein Gimmick besonderer Art war der an der Wand hoch wachsende →Hopfen. Der nämlich sollte für das zukünftige Rockpalast-Bier kräftig wachsen, und wurde von den männlichen Palastbesuchern aus Bequemlichkeit gerne als →Pissoir benutzt. Das weibliche Gewächs schien die salzige Düngung sehr zu schätzen, denn der Hopfen spross schneller, als es sich der Pflanzer in seinen kühnsten Träumen zu erhoffen gewagt hatte. Was den Verdacht nahe legte, dass diese Pflanze möglicherweise zur Gattung der Voyeure gehörte. Sozusagen eine Peepshow mit Grünzeug. Selbst Nutten wären vor Neid erblasst, in Anbetracht der schier unzählbaren Schwengel, die vor den Blättern baumelten und sie hin und wieder zärtlich berührten ...3
Das Sommer Rock Festival mit Biergarten vor dem Gebäude (zwischen LKWs und Bahngleisen) wurde eingeführt und der Musikertreff, ein Hagener Szenemagazin, das aus einem gleichnamigen Instrumentenladen hervorgegangen war und aktiv die Förderung heimischer Bands ankurbelte, kehrte in regelmäßigen Abständen mit seinen so genannten Hitfestivals in der Konzerthalle ein. Die Reste der Drahtzieherei im hinteren Saal verschwanden vollständig. An ihre Stelle trat eine Teestube, in die später, nach einem erneuten Umbau, das Programmkino mit weichen, komfortablen Sitzen verlegt wurde. Die Bühne erhielt einen eigenen kleinen Backstage-Bereich, in dem die Musiker sich umziehen und sich ungestört auf ihren Auftritt vorbereiten konnten. Ende des Jahres 1981 war der Rockpalast vollendet und es entstand was Nobi Höhne und Michael Arens beabsichtigt hatten: Ein Szenetreffpunkt, der weit über die Stadtgrenzen hinaus an Bedeutung gewann und für die Touren bekannter und beliebter Künstler und Gruppen lukrativ wurde. →Marius Müller Westernhagen, →BAP, Extrabreit, →Accept, →Nektar, →Jane, Herman Brood, →Mitch Ryder und →Ginger Baker spielten hier, um nur einige Größen der Rockmusik zu nennen.
Bis zu Beginn des Jahres 1983 erwies sich der Rockpalast Hohenlimburg als wahre Goldgrube. Kaufmännische Fehlentscheidungen und private Probleme seiner Betreiber führten dann im Frühjahr zu einem Besitzerwechsel und schließlich, im September 1984, zu seiner endgültigen Schließung.
►Peter Ancaster hatte sich im Januar 1981 dem Team um Norbert Höhne und Michael Arens angeschlossen. Anfänglich als Plakatierer, beauftragte ihn Nobi dann jedoch seinen Fähigkeiten entsprechend ab August Veranstaltungshinweise und Konzertkritiken für die örtlichen Zeitungen →Westfalenpost und →Westfälische Rundschau sowie die Wochenblätter →Wochenkurier und Stadtanzeiger zu schreiben. Peters Arbeit zeigte sich rasch als wichtige Bereicherung, zumal seine Texte als gute Werbeträger dienten und Kosten für Anzeigen einsparten. Auch Michael erkannte das Talent des neuen Mitarbeiters und übertrug Peter im Frühling 1982 das Entwerfen und Erstellen der monatlichen Programmhefte.
Für Peter, der im Juni 1981 den →Bundesgrenzschutz verlassen hatte, war der Rockpalast eine ideale Rückkehr in die Musikszene. Kontakte zu anderen Musikern, ergaben sich zwangsläufig - er lernte hier u.a. den zu jener Zeit für den Musikertreff schreibenden Gitarristen Ralph Veety kennen -, aber vor allem erwarb er insbesondere durch Michael Arens ein umfangreiches Wissen über den Hintergrund des Musikgeschäftes und die Organisation von Veranstaltungen. Unter dem Nachfolger der Höhne/Arens Ära, Andreas König, avancierte er schließlich zum Manager, eine Position, die er nicht zuletzt erfolgreich für Samain zu nutzen verstand.
Doch soweit war es an jenem 17. Dezember 1982 noch nicht, als Peter seine beiden ehemaligen Bandkollegen von ►Laissez Faire‼ zu einem Gespräch in den Rockpalast gebeten hatte.
Fussnoten
1 Hauptsächlich ging es hierbei um den Bierausschank und die Öffnungszeiten. Offiziell war jeder Besucher bzw. Gast des Rockpalastes zugleich Vereinsmitglied. Die übliche Konzession für das gastronomische Gewerbe konnte somit durch den Verein umgangen werden. Als gemeinnützig anerkannt, war der Rockpalast Hohenlimburg e.V. von Steuern befreit.
2 bis Juni 1981
3 Ralph Veety & Peter Ancaster, 'Ekrons Kinder', 1992, unveröffentlicht
Where else ...
►History Teil 1 • Wie alles begann • Dezember 1982 - April 1983
►History Teil 2 • Anfang mit Hindernissen • April 1983 - Oktober 1983
►History Teil 3 • Zwei gehen, zwei kommen • Oktober 1983 - März 1984
►History Teil 4 • Thunerbolt Giants • März 1984
►History Teil 5 • 17.3.1984, Der Vertrag • März 1984 - April 1984
►History Teil 2 • Anfang mit Hindernissen • April 1983 - Oktober 1983
►History Teil 3 • Zwei gehen, zwei kommen • Oktober 1983 - März 1984
►History Teil 4 • Thunerbolt Giants • März 1984
►History Teil 5 • 17.3.1984, Der Vertrag • März 1984 - April 1984